zwischen meinen zeilen

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Dienstag, 18. Oktober 2016

Terror - auf Seiten, Bühnen und Zelluloid

Gestern Abend lief in der ARD ein Film, der viel Aufmerksamkeit auf sich zog und immer noch zieht. Schon seit längerer Zeit wird der gleiche Stoff auf diverse Theaterbühnen gebracht und als Buch liegt der Text nun auch als Taschenbuch in den Buchhandlungen. Es geht um "Terror" von Ferdinand von Schirach. Ich selbst habe das Buch schon seit Januar, aber manche Themen brauchen eben ihren eigenen Zeitpunkt. Daher habe ich es am Wochenende in sehr kurzer Zeit gelesen, um mir meine Meinung unabhängig vom Film bilden zu können. 


Das Stück lässt uns an einem Gerichtsverfahren teilhaben. Angeklagter ist Lars Koch, Kampfpilot bei der Bundeswehr. Er hat eine Passagiermaschine mit 164 Menschen an Bord abgeschossen, das wird nicht bestritten. Die Maschine war von Terroristen entführt worden und sollte in ein mit 70.000 Menschen besetztes Fußballstadion stürzen. Befehl hatte Lars Koch keinen. Es war seine eigene Entscheidung, getroffen innerhalb von Sekunden, scheinbar konnte er nicht tatenlos zusehen. Warum niemand am Boden auf die Idee kam, das Stadion räumen zu lassen, wie es die Staatsanwältin vorschlägt, kann nicht geklärt werden. Es werden ein paar Zeugen vernommen, doch es geht hier nicht darum, zu klären, ob der Angeklagte geschossen hat, sondern warum. Es gibt eine Diskussion über das Recht, das Leben, die Menschenwürde und die Wahl des kleineren Übels. 

Daran ist nichts unterhaltsam, es fordert einem als Leser und Zuschauer, mental und emotional, einiges ab. Dennoch finden sich sehr viele Leute in Theatern und vor den Fernsehern ein, um sich dem zu stellen - und auch der Entscheidung, denn jeder einzelne ist aufgerufen, das Urteil zu fällen: Schuldig oder Freispruch. Es gab Diskussionen darüber, ob man ein Fernsehpublikum eine solche Rechtsentscheidung fällen lassen sollte. Ich persönlich denke, dass dies richtig und wichtig ist. Wer würde denn sonst über so etwas nachdenken? Bisher gab einen solchen Fall so gut wie nicht in Deutschland, aber sollten wir uns nicht Gedanken darüber machen, lange bevor es passiert? Können wir nicht aus diesem fiktiven Fall lernen? Und ist es nicht gut, wenn ein politikverdrossenes Volk sich am Fernsehbildschirm und in Dikussionen mit einem so schwierigen, moralisch anstrengendem Thema auseinander setzt? Ganz unabhängig von dem gefällten Urteil, halte ich das für eine gute Sache. 

Nachdem ich gerade einen kritischen Artikel dazu gelesen habe, muss ich als uninformierter Rechtslaie sagen, dass ich es sehr schade finde, dass man sich hier nicht auf die Richtigkeit verlassen konnte. Die Sache selbst, also Aufmerksamkeit auf ein solches Thema zu richten, finde ich immer noch eine gute. 





Mein eigenes Urteil: 
Ich habe für Freispruch gestimmt. Ja, Lars Koch hat das Gesetz gebrochen. Aber ihn wegen 164fachen Mordes lebenslang ins Gefängnis zu schicken, wäre auch nicht richtig. Wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, hätte ich für eine Verurteilung mit milder Strafe votiert, eben weil dem Grundgesetz zuwider, aber in dieser Situation nachvollziehbar gehandelt wurde.