zwischen meinen zeilen

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Dienstag, 15. Januar 2013

„Jeder Mensch hat ein zweites Leben, das er nie gelebt hat.“

Laura Karaseks erster Roman zeigt die Generation der 20 bis 30jährigen in allen Facetten. Und auch wenn ihre Heldin krasses Verhalten an den Tag legt, erkennt man sich irgendwie wieder. 


Theresa ist eine eigentümliche Heldin und passt doch genau in diese Generation, der sie angehört. Man versteht die junge Frau nicht immer, warum sie etwas tut oder nicht, aber immer wieder findet man etwas, zu dem man sagt "Ja, kenne ich, mache ich genauso." 
Man wird in diesen Strudel hineingezogen, die Theresa-Welt. Die Sprache von Laura Karasek ist nah am Alltag und doch wieder poetisch. Sie kombiniert Dinge, die nicht zusammen gehören und schafft neue Welten. Bringt zum Lachen, hinterlässt bitteren Beigeschmack. Und manchmal fragt man sich "Sind wir wirklich so?", nur um im nächsten Moment schnell und etwas verschämt weiterzulesen. Bloß nicht zu intensiv darüber nachdenken. Das deprimiert nur. Und schon erwischt man sich wieder, bei dieser Oberflächlichkeit, die auch im Buch thematisiert wird. Wie so vieles! Denn es ist nicht weniger als der Abschnitt eines Lebens, der hier erzählt wird. Der immer in einer Schwebe hängt, immer in der Mitte der Wippe, bloß nicht an einer Seite aufkommen, immer weiterlaufen. Denn die andere Seite könnte ja viel schöner sein und die hat man dann verpasst.
Genau da hängt auch Theresa und will und kann sich nicht festlegen. Master oder Auslandspraktikum, Berlin oder Frankfurt, Benjamin oder Leopold. Viele Möglichkeiten generieren viele Entscheidungen, doch das können wir nicht mehr, entschieden, festlegen. Wir, die wir Verzicht nur als Diät und Mangel nur als Makel kennen, den es dringend zu kaschieren gilt. Sonst sieht man nicht aus wie die in der H&M-Werbung und es muss einem alles so leicht fallen wie allen Anderen. 
Obwohl uns gar nichts leicht fällt. Insbesondere erwachsen sein. Gar nicht leicht. Wohnung sauber halten? Den Kühlschrank mit Gesundem füllen? Gar mit Geld umgehen? Lächerlich.
Und obwohl wir alles haben und glücklich sein müssten, sind wir es nicht. Stattdessen ist da nur Druck. Der Druck alles richtig zu machen, allen zu gefallen, sich aber nicht zu verbiegen und Außergewöhnliches zu leisten. Denn weil wir alles haben - Freiheit, Nahrung, Arbeit - können wir nicht genug bekommen, nicht wertschätzen, was wir jetzt gerade haben. Denn das andere Leben, mit dem besseren Job, dem anderen Mann, in der anderen Stadt, ist mit Sicherheit viel besser. Das zweite Leben, das man nie gelebt hat. 


Verspielte Jahre - Laura Karasek, Quadriga, 19,99€




Montag, 7. Januar 2013

Neujahrs-Fragment


Der Teil der Partynacht des Jahres, der meist nicht erzählt wird: Die Heimfahrt. 

Wieder sitzt sie in dieser U-Bahn. Silvester. Mitten in der Nacht. In dieser Stadt ist es eine Ausnahme, dass die U-Bahn noch fährt, ist also recht leer. Ein paar Halbschlafende. Eine Gruppe Schwarzgekleideter, die sich ange- bis betrunken unterhalten. An sich stört sie das nicht, kommt sie doch gerade aus der gleichen Disco, doch die sind ihr zu laut jetzt. Und ihr iPod zu leise. 
Als sie umsteigt muss sie nur kurz warten, aber einige lautstarke Böller ertragen. Sie werden in der Nähe, im Verteilergeschoss geworfen. Und sie zuckt jedes Mal. Schlicht wegen der Lautstärke. Diese Menschen haben kein Interesse an der eigenen Unversehrtheit. Geschweige denn an der Anderer. Von wegen Grundrechte. 
Der anschließende Nachtbus ist dunkel, überraschend dunkel. Nur grünes Licht glimmt, Mitmenschen kann sie keine erkennen. Welches Konzept verfolgt der Busfahrer wohl damit? Die dummen Betrunkenen zu beruhigen, damit er in Ruhe fahren kann? Interessanterweise scheint es zu funktionieren, auf der ganzen Fahrt passiert gar nichts. Klar, man kann sich nicht anpöbeln, wenn man sich nicht sieht. Gut, dass sie auf ihrem Handy ein Buch liest. Auch eBooks müssen mal Vorteile haben. Und so besteht nicht die Gefahr, dass sie jemand anquatscht.
Auf Bus- oder ähnlichen Fahrten ist sie gern unsozial. Dann will sie einfach lesen oder Musik hören. Nicht reden, keinen Fremden-Smalltalk führen. Für sich sein. Besonders wenn sie müde ist.
Und das wird sie langsam. Ist auch schon spät. Die Kälte, die draußen schon wartet, macht es nicht besser. Die Abwesenheit des nächsten Busses, ihre Heimfahrt dauert nachts etwas länger und eines verfügbaren Taxis lassen die zwanzig Minuten zu einer kleinen Ewigkeit werden. Immerhin begrüßt sie im Bus dann eine arbeitende Heizung. 
So beginnt das neue Jahr wie es endete: Mit einer langen Fahrt öffentlicher Verkehrsmittel.