zwischen meinen zeilen

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Dienstag, 17. Februar 2015

Weißer Zug nach Süden

Ganz frisch erschienen und schon verschlungen, der neue Roman von Thommie Bayer. Wie alle seine Bücher hat auch dieses mich in sich eingesogen und erst nach der letzten Seite in die Realität zurück gelassen. 


Chiara ist überstürzt aus dem kleinen Dorf in Italien geflohen, in dem sie bei ihrem Vater gelebt hat und wohnt nun im Haus ihrer Freundin Leonie, solange diese in New York ist. Perfektes Timing für beide, denn Chiara hat auch Leonies Putzbefohlene übernommen und verdient dadurch genug Geld, um ein ruhiges Leben zu führen, was im Moment genau richtig für sie ist. Einer dieser Kunden ist Herr Vorden. Chiara hat ihn nie kennen gelernt, da er einige Tage in der Woche, einschließlich ihres Dienstags, nicht in der Stadt ist. Sie mag seine geschmackvolle Einrichtung, eigentlich seine ganze Wohnung und stellt schnell fest, dass er sehr genau in allem ist, weshalb sie seine Anordnung der Dinge nach dem Reinigen wieder genau herstellt. Sie hat auch ein kleines, heimliches Ritual: In seiner Wanne baden. Eines Tages kommt auch dazu, eine neue Geschichte von ihm zu lesen, die offen, herausfordernd geradezu, auf seinem Schreibtisch liegt. Diese Lektüre ist jedes Mal aufregend, da es den Anschein hat als schreibe er aus ihrem Leben…

Was vielleicht nach einem etwas merkwürdigen Plot klingt, ist in den Worten von Thommie Bayer wunderschön. Die kurzen Geschichten des Herrn Vorden sind in sich kleine Meisterwerke und die große Geschichte darum herum zeichnet das Bild einer Frau, die gerade in einer merkwürdigen Phase ihres Lebens ist, einerseits ruhig, andererseits voller widersprüchlicher Gefühle. Einfach fallen lassen und (sich) selbst entdecken.