zwischen meinen zeilen

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Sonntag, 8. November 2015

Red Rising

Brutal, männlich, moralisch, voller Lügen und Loyalitäten. Science Fiction trifft Dystopie-Geschichte. Ein großartiges Treffen! 


Unser Protagonist Darrow lebt auf dem Mars und schuftet in den Minen unter der Oberfläche, um Helium 3 abzubauen, da dieses für den Prozess des Terraformings benötigt wird. Er gehört der Gesellschaftsschicht der Roten an, gleichbedeutend mit ganz unten. Doch sie sind die Pioniere der Menschheit, die sich opfern, damit eines schönen Tages die armen Menschen der kaputten Erde auf dem Mars Zuflucht und Leben finden können. 

Als Darrow Frau Eo wegen dem Singen des verbotenen Liedes gehängt wird, erfährt er von einer Widerstandsgruppe, dass "eines schönen Tages" bereits vor Jahrhunderten wahr wurde und auf der Oberfläche längst alle in wüstem Luxus leben. Insbesondere diejenigen am oberen Ende der Gesellschaft: Die Goldenen, perfekte Übermenschen, die alle anderen Farben beherrschen. Darrow soll einer von ihnen werden, sich einschleichen und irgendwann die Rebellion anführen. Er willigt ein, um Eo zu rächen und ihren Traum von einem besseren Leben für alle Roten zu erfüllen. 

Nach einem lange währenden und schmerzhaften Umformungsprozess, findet sich Darrow am Institut wieder, der Eliteschule der Goldenen. Es steht nur eine Aufgabe auf dem Lehrplan: Krieg. Eingeteilt in Häuser, nach Göttern benannt, müssen sie ihre Burgen verteidigen, Andere versklaven und erobern, um schließlich zu gewinnen, in einer Welt, die von den Oberen jederzeit manipuliert werden kann...

Wer sich nun an die "Tribute von Panem" erinnert fühlt, hat ein bisschen Recht. Die Idee, Jugendliche in einer künstlichen Umgebung auf einander zu hetzen, ist nicht neu. Doch ist dieses kein Jugendbuch, sondern definitiv für ein erwachsenes Publikum bestimmt. Es wird geflucht, geprügelt, gemordet, im großen Stil hintergangen und intrigiert. Mit interessanten Bildern in der Sprache und spannenden Charakteren hält der Autor Pierce Brown den Leser im Bann seines Debüts. Der zweite Teil der Trilogie erscheint im April 2016 und ich kann es kaum erwarten!








Freitag, 23. Oktober 2015

Er ist wieder da - Buch, Film, Leben

Ein Bestseller, seit seinem Erscheinen im Jahr 2012, nun wieder in aller Munde, da die Verfilmung in den Kinos läuft. Der Film hätte sich kaum einen besseren Zeitpunkt aussuchen können.


Nach dem Genuss des Hörbuchs war ich begeistert. Christoph Maria Herbst spricht alles genial, inhaltlich traf es genau die Mischung aus Lachen und Gänsehaut. Subtil zeigt es uns, wie einfach er es hätte, wie verdreht die Menschen reagieren würden, wie wenig aufgeklärt wir doch sind. Pünktlich zum Filmstart ist auch eine Studienausgabe erschienen, die einiges an Zusatzmaterial, wie einen Artikel über die Rezeption des Buches oder die von Timur Vermes benutzten Quellen behandelt. 

Und nun der Film. Die ersten Ausschnitte sahen gut aus, also ab ins Kino. Zu Anfang war ich enttäuscht, dass die Geschichte geändert wurde, mehr Machtspiele in der Medienfirma, Sawatzki ist eher im Fokus als der Führer selbst, erst mal eine Tour durch Deutschland, um mit den Menschen zu sprechen, Material zu sammeln, dann der schnelle Aufstieg. Und der frühe Fall. Im Film das Buch und der Film im Film. Und dann dieser Schluss. Die anderen Zuschauer stehen auf, unterhalten sich. Für sie ist es offenbar nur ein Film. Unterhaltung. Ich bleibe sitzen bis der Abspann vorbei ist, bis das Licht angeht und mich nicht ganz zurück holt. Denn in der Unterhaltung steckt zu viel Realität, um aufzuwachen. 

"Du kannst mich nicht los werden. Ich bin ein Teil von dir. Von euch allen." 


Der Satz, der in meinem Kopf noch lange nachdem ich den Saal verlassen habe, widerhallt. Denn genauso ist es. Er ist wieder da. Er ist überall dort, wo Flüchtlinge abgelehnt werden. Wo Rechte demonstrieren oder auf andere Weise wirken. Wo Homosexuelle, Andersgläubige, Behinderte anders behandelt werden. Dort ist sein Geist unter uns. Dort ist das Ende des Witzes und muss der Anfang unseres Denkens sein. 



Sonntag, 13. September 2015

All about a girl

Ein ungewöhnliches Mädchen mit ungewöhnlicher Karriere. Im England der 90er Jahre. Im Sog des glitzernden Londons und der Musikwelt.


Dolly Wilde. Musikkritikerin bei einem großen Magazin. Führt ein Leben voller Sex und Party. Schreibt erfolgreiche Artikel. Ist ständig im glamourösen London unterwegs. So stellt sich Johanna Morrigan das perfekte Leben vor. Sie lebt mit sechs Geschwistern in einer Sozialsiedlung, von Sozialhilfe, weil ihr Vater den Behinderten gibt und findet ihren Lebensweg, als sie in der Stadtbücherei in Musik und Magazinen versinkt: Sie will Musikjournalistin werden. Sie nennt sich also Dolly Wilde, trägt nur noch schwarz, dazu Doc Martens und Zylinder. Und schafft es tatsächlich: Als freie Mitarbeiterin bei D&ME führt sie genau dieses Leben, trifft in dem Sänger John Kite einen Seelenverwandten und erlebt verrückte Geschichten. Ihre Familie indes kämpft mit gekürzter Sozialhilfe, woran sich Johanna die Schuld gibt. Sie hat ihre Träume erreicht, doch ist es wirklich das, was sie will?

Eine klasse Geschichte um ein unperfektes Mädchen, in dem sich jeder wieder erkennt. Tabulos, witzig und voller Musik, erzählt in einer Zeit ohne Smartphone, dafür mit Kassetten und Walkman. 


Sonntag, 6. September 2015

Horrorstör

Der Titel spricht bereits Bände: Ein Ausflug in das Gerne des Horrors!


Amy Porter arbeitet bei Orsk, einer amerikanischen Möbelhauskette, einer Ikea-Kopie. In ihrer Filiale geschehen seltsame Dinge, Sofas sind morgens verdreckt, Ausstellungsräume chaotisch, die Mitarbeiter bekommen merkwürdige SMS. Um das aufzuklären will der überkorrekte, stellvertretende Filialleiter Basil mit Amy und der guten Seele unter den Kollegen eine Nachtschicht einlegen und den oder die Übeltäter finden. Sie finden nicht nur einen Obdachlosen und zwei andere Kollegen auf Geisterjagd, sondern ein Grauen, dass sie sich bis dahin nicht vorstellen konnten...

Und das Stoff für einen großartigen Horrorfilm darstellt! Das Buch erregt Aufmerksamkeit durch das Cover, da man im ersten Moment annimmt, es hätte sich ein Katalog von Ikea ins Regal verirrt. Die Gestaltung wird auf geniale Weise durch das ganze Buch gezogen, jedes Kapitel preist ein neues Möbelstück an, mit inklusive ausgedachtem Namen. Die Geschichte selbst mag nicht die neueste sein, ist aber mitreißend erzählt und spielt die Reize ihres ungewöhnlichem Ortes voll aus. Der nächste Besuch bei Ikea wird anders sein als alle zuvor!

Mittwoch, 22. Juli 2015

Die Seiten der Welt

Ein Universum, das auf einer ganz besonderen Magie basiert: Der Magie der Bücher! 


Diese nennt sich Bibliomantik und man kann sie nicht ausüben ohne sein persönliches  Seelenbuch. Diese bibliomantische Parallelwelt zu der unseren ist in verschiedene Refugien unterteilt, von denen das größte Libropolis ist, quasi die Bücherhauptstadt. Sie ist aus einem wahren Bücherdorf erwachsen und beherbergt nicht als Buchhandlungen zu jeden erdenklichen Spezialthema ebenso wie solche, die in der realen Welt schließen mussten und hier weitergeführt werden können. Die Unterwelt der Stadt besteht aus Fördersystemen, welche die Bücher transportieren. In Gewächshäusern werden Lesebändchen an Bäumen gezüchtet. 
Doch wie jede Welt ist auch diese nicht perfekt. Die Machtgier der herrschenden Häuser führt zu Intrigen und ihr Umgang mit den Exlibri, Figuren, die aus ihren Geschichten gefallen sind, ist geprägt von Unrecht und Verachtung. Denn diese müssen in Ghettos leben oder verstecken sich in Refugien, um ungestört sein zu können. 
Die Person, mit der wir Leser dieses einzigartige Universum entdecken, ist Furia. Sie hat ihr Seelenbuch noch nicht gefunden und lebt mit ihrem Vater Tiberius und ihrem kleinen Bruder Pipp in einem großen, aber verborgenen Haus. Denn ihre Familie ist vor langer Zeit in Ungnade gefallen. Eines Nachts wird tiberius, der nach sogenannten „leeren Büchern“ sucht, während eines Ausflugs in eine fremde Bibliothek getötet, das Haus angegriffen und ihr Bruder entführt. Sie wollen irgendetwas von Furia, doch sie weiß nicht, was. Sie flieht nach Libropolis, das man nur mit einem Lesezeichen betreten kann und taucht ein in eine ihre völlig neue Welt…

Beide Teile sind wunderschön gestaltet, der erste enthält auch das benötigte Lesezeichen zum Eintritt nach Libropolis. Wer Bücher liebt, wird es nicht mehr verlassen wollen, da es voller niedlicher und literarischer Details steckt, die zu entdecken auch im zweiten Band spannend und faszinierend ist. Der dritte und abschließende Band soll nächstes Jahr erscheinen und die Vorfreude ist groß. 









Montag, 30. März 2015

Madame Picasso

Ein Buch voller Lieben. Eine, die plötzlich entflammt. Eine, die vergeht. Eine, die das ganze Leben dauert.


Die junge Eva Gouel kommt aus einem kleinen Vorort ins das schillernde Paris von 1911, um ihr Glück zu finden. Sie nennt sich Marcelle Humbert und schafft es als Näherin im Moulin Rouge unverzichtbar zu werden. Durch die Freundschaft der Tänzerinnen lernt sie die vornehme Fernande Olivier kennen, die ihr schnell vertraut. Bei dem Besuch einer Ausstellung experimentierfreudiger Künstler trifft sie zum ersten Mal auf Pablo Picasso und sie verbringen die Nacht miteinander in seinem Atelier. Erst später erfährt Eva, dass ausgerechnet Fernande seit Langem Madame Picasso ist und weist Pablo ab. Fernande war auch im den ganz schlimmen Zeiten an seiner Seite, doch die Liebe ist verschwunden, Machtspiele an ihre Stelle getreten und Pablo spürt, dass Eva ihn nicht nur inspiriert, sondern einen besseren Menschen aus ihm machen kann...

Eine wunderschöne Liebesgeschichte zweier Menschen, denen nur ein kurzes Glück gegönnt war. Auch wenn einiges wohl fiktiv bleiben muss, sind die beiden einfühlsam beschrieben. Paris in dieser Zeit und die Kreise der Intellektuellen und Künstler sind spannend geschildert. Die Liebe zur Kunst steckt in jeder Zeile.


Dienstag, 17. Februar 2015

Weißer Zug nach Süden

Ganz frisch erschienen und schon verschlungen, der neue Roman von Thommie Bayer. Wie alle seine Bücher hat auch dieses mich in sich eingesogen und erst nach der letzten Seite in die Realität zurück gelassen. 


Chiara ist überstürzt aus dem kleinen Dorf in Italien geflohen, in dem sie bei ihrem Vater gelebt hat und wohnt nun im Haus ihrer Freundin Leonie, solange diese in New York ist. Perfektes Timing für beide, denn Chiara hat auch Leonies Putzbefohlene übernommen und verdient dadurch genug Geld, um ein ruhiges Leben zu führen, was im Moment genau richtig für sie ist. Einer dieser Kunden ist Herr Vorden. Chiara hat ihn nie kennen gelernt, da er einige Tage in der Woche, einschließlich ihres Dienstags, nicht in der Stadt ist. Sie mag seine geschmackvolle Einrichtung, eigentlich seine ganze Wohnung und stellt schnell fest, dass er sehr genau in allem ist, weshalb sie seine Anordnung der Dinge nach dem Reinigen wieder genau herstellt. Sie hat auch ein kleines, heimliches Ritual: In seiner Wanne baden. Eines Tages kommt auch dazu, eine neue Geschichte von ihm zu lesen, die offen, herausfordernd geradezu, auf seinem Schreibtisch liegt. Diese Lektüre ist jedes Mal aufregend, da es den Anschein hat als schreibe er aus ihrem Leben…

Was vielleicht nach einem etwas merkwürdigen Plot klingt, ist in den Worten von Thommie Bayer wunderschön. Die kurzen Geschichten des Herrn Vorden sind in sich kleine Meisterwerke und die große Geschichte darum herum zeichnet das Bild einer Frau, die gerade in einer merkwürdigen Phase ihres Lebens ist, einerseits ruhig, andererseits voller widersprüchlicher Gefühle. Einfach fallen lassen und (sich) selbst entdecken.