zwischen meinen zeilen

zwischen meinen zeilen

Samstag, 4. Oktober 2014

Anima

Dieses Buch ist ganz und gar anders. Es ist merkwürdig, grausam, poetisch, brutal, reflexiv und einfach großartig.


Ein Mann kommt nach Hause und findet im Wohnzimmer die Leiche seiner schwangeren Freundin, brutal verstümmelt. Er bricht neben ihr zusammen. Dies erzählt uns aber nicht er, sondern die gemeinsame Katze. Denn in diesem Buch erzählen die Tiere von der Reise dieses Mannes zu sich und seiner dunklen Vergangenheit. 
Seine Name ist Wahsch und er begibt sich auf die Suche nach dem Mörder seiner Liebe, nicht, um sich zu rächen, sondern um ihm ins Gesicht zu sehen. Er muss sich versichern, dass nicht er selbst das getan hat, denn in manchen Momenten ist er nicht mehr sicher wer er ist. Die Identität des Mörders steht auch schnell fest, er hat genug Sperma hinterlassen, doch da er ein Informant der Polizei ist, hat diese kein großes Interesse daran ihn zu fassen. 
Auf der Suche begegnet Wahsch Indianern in Reservaten und kriminellen Machenschaften, Menschen, die ihm helfen und Anderen, die ihm schaden, der Vergangenheit grausamer Taten im Libanon und vielen Tieren, die ihre eigene Sicht auf die Welt haben, ihm tief in die Seele blicken, ihn als einen von ihnen erkennen. 

Der Meister der Poesie, den ich zuvor durch wundervolle Theatertexte kannte, hat auch mit diesem Roman ein Meisterwerk geschaffen, ist sich selbst treu geblieben und hat dennoch überrascht. 
Am Ende der Reise ist nichts und niemand mehr so, wie es oder er vorher war - auch nicht der Leser. Dieses Buch begeistert mit seiner Poesie, verwirrt mit merkwürdigen Geschehnissen, verstört mit Gewalt und lässt Schweigen zurück. 



Donnerstag, 28. August 2014

Der Circle umschließt alles - auch dich!

Das Buch mit dem grellen Cover ist derzeit in aller Munde und hat den ersten Platz der Bestsellerlisten im Sturm erobert. Zu Recht? Verdient er ein Smile?


Das ist nämlich in der Welt von Mae Holland - der jungen, hippen Hauptperson - so etwas wie ein Like, ein positives Feedback innerhalb eines sozialen Netzwerks. Sein Gegenstück ist ein Frwon. Im Unterschied zu unseren aktuellen Netzwerken hat jeder ein „TruYou“, er ist also mit seinem realen Namen angemeldet. Und über Nacht wurde das Internet höflich. Toll oder? 

Das war der Beginn des Circle. Die liebe Mae ergattert einen der besten Jobs der Welt, sie darf beim Circle arbeiten und wir als Leser dürfen sie dabei begleiten. Sie fängt ganz unten an, mit dem Beantworten von Kundenanfragen auf einem wunderschönen Tablet. Alles auf dem Campus des Circle ist schön, modern und einfach großartig: Gesundes Essen, Sportmöglichkeiten, Partys, Auftritte bekannter Künstler, Wohnheimzimmer mit Luxusausstattung. Und jede Woche wird ein neues, total spannendes Projekt präsentiert, wie „SeeChange“, eine kleine Kamera, die sich jeder leisten und überallhin kleben kann, damit jeder jeden Ort der Erde sehen kann. Denn: Nichtwissen ist schrecklich und Privates ist Diebstahl an allen Anderen! So sehen es die - ungeheuer beliebten und bewunderten - „Weisen“ des Unternehmens. Für sie muss nicht nur alles Wissen zugänglich sein - und sei es nur, was DU gestern Abend gemacht hast - sondern es muss auch jeder partizipieren und schließlich vollkommen transparent sein! 

Das wird auch Mae, indem sie immer eine Kamera um den Hals trägt und alle ihr live zusehen können, den ganzen Tag. Sie zeigt ihren Viewern den Circle und seine Großartigkeit und wird dafür von allen geliebt. Dass sie ab und zu überfordert ist, dass sie sich komplett vom Unternehmen vereinnahmen lässt oder dass es auch schlechte Seiten gibt - wenn ihre beste Freundin zusammenbricht, weil sie heraus gefunden hat, dass ihre Eltern eines Tages tatenlos bei einem Todesfall zusahen - will sie nicht wahr haben. 
Dies bleibt dem Leser zur Aufgabe, denn der Roman wertet nicht, er schildert nur. Eine Welt aus totaler Kommunikation und Transparenz, der sich alle freiwillig unterwerfen. 

Also: Smile oder Frown? Beides. Die Brisanz des Themas und diese gar nicht so weit entfernte Realität ist interessant und überzeugend. Als Roman selbst sind Handlung und Figuren nicht sehr ausgefeilt, gleiches gilt für die Sprache. Doch ist dies vielleicht auch ein Kunstgriff: Wenn wir alle nur online, als Profil, als Summe unserer Smiles und Käufe und Daten existieren, werden wir dann nicht zu flachen Charakteren, die keine ausgefeilten Geschichten mehr erleben? 





Sonntag, 27. Juli 2014

Serienunikat

Schon wieder ein Roman über diese  Generation, braucht doch keiner.
Doch, diesen schon! Dem es geht nicht um Rumheulen, weil alles so schrecklich ist und die Möglichkeiten so viele sind. Es geht um die Frage, ob dein Leben dem Plan folgen soll, dem deine Familie vorgibt oder dein eigenes werden. Die Frage ist aber: Wie sieht dein eigenes Leben denn aus?
Die Antwort möchte Ann-Sophie finden und der Leser begleitet sie auf der Reise zu ihr, durch Höhen und Tiefen. Sie kommt aus der Provinz, soll in Heidelberg Pharmazie studieren und die Apotheke ihrer Eltern übernehmen. Ihr Freund Titus ist der Mann in dem Vorstadtbild. Spontan fährt sie nach Berlin zu einer alten Freundin, um eine Wohnung zu suchen, dort zu studieren und sich selbst zu finden. Eine magische Liste, eine "Anleitung zum Anderssein" soll ihr dabei helfen und das tut sie! Ihre neuen Mitbewohner, die unterschiedlicher nicht sein könnten und schnell richtig gute Freunde werden, haben ebenfalls großen Anteil daran.
Die Sprache von Autorin Chantal-Fleur Sandjon ist eine ganz besondere, voller Bilder, die treffend Gefühle und Ideen dieser Generation ausdrücken und uns ein lebendiges, facettenreiches Berlin zeigen. Nach diesem Debüt darf man auf Weiteres gespannt sein!


Sonntag, 22. Juni 2014

Über ein Mädchen

Eine merkwürdige Stimmung fließt durch mich, als ich das Buch schließe und in meinem Rucksack verstaue. Irgendwie traurig und doch nicht. Melancholisch. 
Auf dem Buch sind braune Kreise, die aussehen, als hätte sie eine Teekanne hinterlassen. Auf dem Umschlag, den ich zum lesen abgenommen habe, ist die Kanne zu sehen, von oben. Ein leises Buch sagte meine Lehrerin. Sie hat Recht. Es lässt mich zurück, denn es ist vorbei. Es beruhigt mich. 
Da denkt man, man sei erwachsen und dann erkennt man sich doch so sehr in der Hauptperson eines Jugendbuches wieder. Vielleicht nicht in aller Konsequenz, aber in überraschend großen Teilen. 
Doch kann ich von ihr lernen? Oder ist mein Leben sowieso ganz anders? 
Eigentlich ist das auch egal, denn durch das Buch war mein Leben für kurze Zeit ihr Leben. 


Freitag, 4. April 2014

Wege

Lange ist der letzte Eintrag her, das tut mir leid. Aber hier nun etwas brandneues. Das muss jetzt einfach aus mir raus in die Welt. 


Es scheint nur noch Kreuzungen mit zwei Wegen zu geben.
Rechts oder links. 
Gegen Ausländer. Homosexuelle. Frauen. 
Oder mehr als dafür.

Egal, welches Thema.
Egal, wessen Interessen.
Egal, was vernünftig wäre.

Das Unkraut der Meinungen und Medien
verschlingt ihn.
Den Mittelweg.

Wie lange noch bis wir ihn nicht mehr betreten können?